Am Vorabend des 1. Jahrestags seit Beginn der Operation der vereinten Kräfte haben wir die Gelegenheit genutzt, dem Kommandierenden dieser Kräfte General-Leutnant Serhij Najew mehrere Fragen zu stellen. Er ist einer der wenigen Militärgenerale der Streitkräfte der Ukraine, der an der Position des offenen Informierens der Gesellschaft über die Tätigkeit der Vereinten Kräfte und über die ukrainische Armee im Ganzen steht. Der General-Leutnant berichtete  über die größten Siege der Operation der Vereinten Kräfte seit einem Jahr, darüber, welche Provokationen vor den Präsidentschaftswahlen  geschehen und was es sich für russische Militärs lohnt, die im Donbass gegen die Ukraine kämpfen, nicht zu vergessen.

 Seit 2014 machten die Streitkräfte der Ukraine in einer sehr kurzen Zeitspanne  einen riesengroßen Vorwärtsschritt vom Stand, den man damals verzeichnete. Spricht man von einem Jahr Ihres Kommandos bei der Operation der Vereinten Kräfte, so welche drei größten Erfolge würden Sie hervorheben?

– Vor allem möchte ich daran erinnern, dass die Operation der Vereinten Kräfte, die die Antiterroroperation ablöste, rein militärisch ist und eine breite Aufgabenpalette hat: Angefangen von der Verzögerung des Aggressors, der Gewehrleistung  sicherer Bedingungen für den Wiederaufbau der Infrastruktur der Ortschaften zur Förderung der kulturellen Wiedergeburt der Region und Erteilung objektiver und wahrheitsgetreuer Informationen an die Menschen. Spricht man von den Erfolgen, so ist es zweifelsohne die Gründung der Sicherheitszonen im Raum der Durchführung  der Operation der Vereinten Kräfte und Übernahme einer Reihe von Ortschaften in der Zone, die zwischen uns und dem Feind  liegen, was Positionen der Vereinten Kräfte und die Sicherheitszonen selbst stärkt.

Zweitens, das ist Ordnen und Optimierung der Struktur von Kräften und Mitteln, aus welchen die Vereinten Kräfte zusammengesetzt sind, klare Vertikale, die es ermöglicht, die Truppenführung effektiver zu verwirklichen und einen ganzen Komplex verschiedener Aufgaben zu lösen. Und natürlich ist das ein Fortschritt beim Wiederaufbau der infolge der Kampfhandlungen ruinierten Infrastruktur in den Gebieten Donezk und Lugansk.

 Wie ist er, der ukrainische Armeeangehörige des 21. Jahrhunderts? Beschreiben Sie ihn bitte.

Bei der Erfüllung meiner Pflichten als Kommandierender der Vereinten Kräfte kontaktiere ich ständig mit Militärangehörigen verschiedener Dienstgrade. Und ich kann sie versichern, dass der moderne ukrainische Armeeangehörige auf dem Niveau der Standards der Armeen fortschrittlicher Länder der Welt ausgestattet ist, er ist schon bewaffnet nicht nur mit sowjetischen, aber auch mit modernen ukrainischen sowie ausländischen Waffen und Kriegstechnik. Das ist auch gut ausgebildeter Kämpfer, denn man führt ständig Übungen in Vorbereitung auf  Kampfhandlungen und Erfüllung anderer Aufgaben durch. Innerhalb von fünf Jahren Krieg haben sich die ukrainischen Militärs beruflich entwickelt, und schon heute sammeln unsere ausländische Verbündete die Erfahrungen der ukrainischen Armee im Hybridkrieg, deshalb kann ich mit Zuversicht sagen, dass der ukrainische Militär ein motivierter Verteidiger und Fachmann ist.

 Geheimdienste der Russischen Föderation schaffen Voraussetzungen für Destabilisierung und Vereitelung der Wahlen, um den Wahlprozess in der Ukraine zu beeinflussen. Wie ist dies gerade im Osten im Bereich Ihrer Verantwortung zu empfinden?

– Je näher die Wahlen sind, desto mehr Provokationen geschehen im Informationsraum. Viele Ukrainer werden blindlings ausgenutzt, man wirft Informationen zu verschiedenen Problemfragen ein, um die Gesellschaft zu desorientieren und Panikstimmungen zu verbreiten. Die ganze Fabrik russischer Trollen mit Schulterklappen und ohne arbeitet daran, um in den Regionen der Ukraine, im Sozialnetz und sogar auf Webseiten Informationsattacken auf führende Persönlichkeiten des Staates und der Streitkräfte der Ukraine einschließlich der Brigadekommandeure zu organisieren. Das Ziel ist das eine – dem ukrainischen Wähler die russische Meinung aufzuzwingen.

– Welche Stimmungen der Ortsbewohner der Gebiete Donezk und Lugansk überwiegen zurzeit? Haben die Menschen die Hoffnungen auf Frieden und  ruhiges Leben verloren?

– Die Stimmungen sind wie überall verschieden. Viele Bürger der Ukraine, die in den Ortschaften nahe der ersten Verteidigungslinie wohnen, unterstützen die Militärs als ihre wahren Verteidiger sowie Vertreter der militärisch-zivilen Verwaltungen als einzige vollberechtigte Kommunalbehörden. Übrigens ist das keine einfache Region, Bewusstsein welcher Bewohner seit Dutzenden Jahren  die russische propagandistische Maschine stark beeinflusst hat, die ihrerseits alles machte, um die Ukrainer gegen die Ukraine zu hetzen. Deshalb ist die Kategorie der Menschen, die in der Tat von diesem Einfluss gelitten haben, eine komplizierte Kategorie, für diese Menschen haben wir zu kämpfen. Darunter durch Entzug des russischen Bestandteils aus dem Sendebereich und Verstärkung des ukrainischen.

 Wie bewerten Sie die Verteidigungsreform in den Streitkräften der Ukraine? Wann kann die Ukraine Ihrer Meinung nach der Nato beitreten?

– Erstens, bin ich ein Militär. Die Verteidigungsreform in den Streitkräften der Ukraine ist zweifelsohne ein positiver Prozess, obwohl manchmal die  Veränderungen nicht leicht geschehen. Deshalb gibt es subjektive und objektive Gründe. Ich bin es mir aber klar bewusst – dieser Prozess ist unumkehrbar, denn er ist von den Bedürfnissen der historischen Periode bedingt, der jetzt in der Ukraine von sich geht. Die ukrainische Armee erfüllt heute lebenswichtige Funktionen, spielt die wichtigste Rolle im Werden des Staates, bei der Verteidigung seiner Unabhängigkeit.

Zweitens. Die Ukraine hält seit Langem und konsequent den Kurs auf den Beitritt zur Nordatlantischen Allianz. In der ganzen vorigen, bis 2014, Geschichte der unabhängigen Ukraine hat man es auch getan, aber man hat es langsam und nicht sicher getan. Doch in den letzten fünf Jahren ist es wie ein heftiger Vorwärtssprung. In Allem – was gemeinsame Übungen und gemeinsame Handlungen bei den Friedenstruppen, und Unterricht mit Instrukteuren aus Armeen verschiedener Länder, und Militärwissenschaft, und Logistik und alle anderen Bereiche des Militärlebens betrifft. Das ukrainische Heer unterscheidet sich durch Weniges von den Armeen der Nato-Länder, aber bei den Kampferfahrungen schreitet es sogar in manchen Fragen vorn. Für den Nato-Beitritt muss man jedoch einen gewissen Weg zurückgelegt haben. Und die Schritte auf diesem Weg sind klar durch entsprechende Doktrinen und normativ-rechtliche Dokumente der Regierung und der Streitkräfte festgelegt. Ich bin der Meinung, dass der Zeitpunkt des Beitritts der Ukraine zur Nato von uns nicht schon weit liegt.

– Hätten Sie die Möglichkeit, sich an die russischen Militärs zu wenden, die jetzt im Donbass kämpfen, was würden Sie ihnen sagen?

– Mit den russischen Militärs, die unmittelbar an der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine teilnehmen, spricht man jeden Tag die Sprache der ukrainischen Waffen. Und diese Sprache verstehen sie sehr gut. Von mir persönlich wie Offizier möchte ich hinzufügen, dass diejenigen russischen Militärs, die sich heimlich in Uniform der Söldner umkleideten  und begonnen haben, friedliche Ortschaften, Frauen, Kinder, betagte Menschen zu beschießen, kein Recht haben, sich als Militärs zu nennen. Denn um Militär zu sein, bedeutet Ehre, Gewissen, Mut zu haben. Bereit zu sein, seine Heimat bis zum letzten Atemzug zu verteidigen, nicht aber nach einem fremden friedlichen Land zu trachten. Denn das ist schon kein Militär, sondern ein Plünderer und Verbrecher.

Interviewt hat Wolodymyr Tschernow, Korrespondent der Zeitung „Stimme der Ukraine“.