In seinem Beschluss, der offiziell am 20. Juni veröffentlicht wurde, erklärten die Richter des Verfassungsgerichts der Ukraine, dass das Dekret von Präsident der Ukraine der Verfassung nicht widerspricht, denn die Verfassung bestimmt das Verfahren der Einstellung der Tätigkeit der Koalition von Abgeordnetenfraktionen in der Werchowna Rada nicht, und die Geschäftsordnung des Parlaments sieht kein Verfahren der Einstellung der Tätigkeit der Koalition vor.

Im Verfassungsgericht hob man hervor, dass ein Träger der Souveränität und die einzige Quelle der Macht in der Ukraine das Volk ist, deswegen entspricht die Lösung eines Verfassungskonflikts durch die Abhaltung der vorgezogenen Parlamentswahlen den Forderungen des Teils 2 des Artikels 5 der Verfassung der Ukraine.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist verbindlich und kann nicht angefochten werden. An der Abstimmung nahmen 16 Richter des Verfassungsgerichts teil.

Den Beschluss des Verfassungsgerichts nannten viele ukrainische Beobachter und Analysten sofort politisch engagiert, nicht aber besonders juristisch. Nach ihrer Meinung spricht der Format der Tätigkeit des Verfassungsgerichts sowie das Ergebnis des Verfahrens von Lobbieren der Interessen einzelner Politiker.

„Sofort sieht man, dass der Beschluss zuliebe politischer Interessen, nicht aber nach dem Buchstaben des Gesetzes gefasst wurde. Es handelt sich sowohl um die Position von Wolodymyr Zelenskij als auch desselben Petro Poroschenko, der einen inoffiziellen Einfluss auf das Gericht hat, denn viele von den Richtern wurden nach der Präsidentenquote ernannt als er noch Staatsoberhaupt war. Der Präsident hat ein hohes Rating, ihm ist es wichtig, das Ergebnis  auf dem Niveau des Parlaments zu festigen. Für Petro Poroschenko ist es jedoch wichtig, das aufrechtzuerhalten, das er jetzt hat, und in die Werchowna Rada zu ziehen“, – meint der Direktor der ukrainischen Schule für verantwortungsvolle Politik Andrij Jussow.

Mittelbar bestätigt eine solche Schlussfolgerung eine sofortige Reaktion des Ex-Präsidenten auf den Beschluss des Verfassungsgerichts. Am 20. Juni schrieb er auf seiner Twitter-Seite: „Ein wahrer Politiker muss zu einer beliebigen Zeit zu den Wahlen bereit sein. Ein Staatsmann muss den Beschluss des Verfassungsgerichts erfüllen, wie er auch sein mag und zu dem er sich auch verhalten mag“.

Es sei daran erinnert, dass am 21. Mai Zelenskij Auflösung der Werchowna Rada der VIII. Legislaturperiode und Ausschreiben der vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Juli bekanntgab. Im Präsidialamt erklärte man, dass der Grund für die Auflösung des Parlaments ein praktisches Fehlen einer Koalition in der Rada ist.

Am 23. Mai ist das Zelenskij – Dekret über vorfristige Einstellung der Vollmachten der Werchowna Rada und Ausschreiben der vorgezogenen Parlamentswahlen in Kraft getreten. Ab den 24. Mai hat in der Ukraine ein Wahlprozess begonnen.

Die Vorlage über Verfassungsmäßigkeit des Auflösungsdekrets initiierte eine Abgeordnetengruppe aus der Fraktion „Volksfront“. Ein Verfassungsverfahren nach der Vorlage von 62 Abgeordneten der Werchowna Rade wurde als dringend anerkannt. Das Gericht fing an, sie am 11. Juni zu behandeln.

Die Abgeordneten, die sich an das Verfassungsgericht wandten, waren der Ansicht, dass offiziell die Koalition am 17. Mai 2019 aufhörte zu existieren, als die Fraktion über ihren Austritt aus der Koalition erklärte. Gemäß der Gesetzgebung können die Fraktionen nach der Bekanntgabe des Fehlens der Koalition im Laufe von 30 Tagen die Gründung einer neuen vereinbaren. Falls eine neue Koalition nicht erscheint, ist Präsident berechtigt, das Parlament aufzulösen und vorgezogene Wahlen auszuschreiben. Dabei sollten die turnusmäßigen Wahlen am 27. Oktober durchgeführt werden, und dem Gesetz nach ist die Auflösung des Parlaments in wenigen als sechs Monaten vor den turnusmäßigen Wahlen unmöglich. Auf solche Weise verstieß der Präsident gegen das Gesetz, indem er das Dekret über Auflösung der Rada bekanntgab.