Er versprach auch, einen Artikel darüber zu schreiben. Am 12. Juli erschien auf der offiziellen Webseite des Kremls der ausführliche Artikel des russischen Präsidenten „Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern“ in russischer und ukrainischer Sprache.

In dem Artikel bezieht er sich auf die angeblich gemeinsame Geschichte der beiden Völker. Wobei nach seinen Worten sei „die wahre Souveränität der Ukraine nur in Partnerschaft mit Russland möglich“. Darüber hinaus, wie im Artikel betont wird, „…ist die moderne Ukraine vollständig ein Produkt der Sowjetzeit. Wir wissen und erinnern uns gut daran, dass sie zum beträchtlichen Teil auf dem Boden des historischen Russland entstanden ist. Um davon überzeugt zu sein, genügt ein Blick auf die Grenzen der im 17. Jahrhundert mit dem russischen Staat wiedervereinigten Länder und auf das Territorium der Ukrainischen SSR, als sie sich von der Sowjetunion trennte“.

Damit werden nicht nur die modernen Grenzen der Ukraine in Frage gestellt, sondern auch ihre Existenzberechtigung im Allgemeinen. Viele ukrainische Experten betrachten diesen Artikel als Vorbereitung auf eine mögliche zukünftige Aggression. Das sei nicht nur ein Propagandaartikel schlechthin, betonen sie. Einige ihrer Thesen können als ideologische Begründung einer neuen russischen Aggressionswelle und eines Anschlags auf die territoriale Integrität der Ukraine angesehen werden.

„Putins Artikel ist großzügig mit verbalem Salböl über Freundschaft, Respekt und brüderliche Gefühle für die Ukraine gewürzt. Aber das Grinsen des russischen Imperialismus durchbricht diesen verbalen Flitterkram regelmäßig. Dies ist sowohl die These von „einer einigen großen Nation, einem dreieinigen Volk“ als auch eine Widerlegung der modernen Grenzen der postsowjetischen Länder, an denen die Teilung der Sowjetunion stattfand. Damit lässt sich auf Wunsch leicht die territoriale Expansion Russlands auf Kosten seiner Nachbarn, darunter der Ukraine, rechtfertigen. Wir waren bereits 2014 damit konfrontiert. Leider deutet Putins Artikel darauf hin, dass es möglicherweise eine neue Welle bei der Umsetzung der imperialen Ambitionen von Putin und der Kreml-Elite geben könnte“, – meint der ukrainische Diplomat Kostjantyn Jelissejew.

„Putins Erklärungen muss man behalten, und alle müssen daran denken, wer hofft, sich mit dem russischen Präsidenten zu verständigen. Es ist jedoch unmöglich, sich zu einigen. Der Krieg wird weitergehen. Menschen werden sterben und leiden. Das ist unsere Realität. Entweder werden wir Abfuhr erteilen, und Putins Nachfolger das Recht der Ukrainer und der Ukraine anerkennen zu existieren, oder die gesamte Ukraine wird besetzt und wieder ein Teil Russlands werden.

Es gibt einfach keine andere Wahl. Und es wird nie eine andere Wahl geben. Weil es in Putins Kopf keine Ukrainer gibt und es nie ein Land namens Ukraine gegeben hat und es auch nie geben wird“, – so kommentierte Vitali Portnikow, ein angesehener Journalist und Kolumnist, den Kreml-Artikel.

Viele Menschen in der Ukraine fragen sich, warum dieser Artikel gerade jetzt erschienen ist? Vielleicht hat W. Putin beschlossen, auf solche Weise auf den 30. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine zu reagieren. Schließlich hätte der „Fehler der Geschichte“ laut den Grundansätzen dieses Artikels längst aufhören müssen. Aber die Ukraine lebt und entwickelt sich und verteidigt weiterhin ihre Souveränität, trotz Putins Pseudotheorien. Praktisch entfernt sich die Ukraine zunehmend von Russland. Der Kreml-Herrscher ist dadurch, gelinde gesagt, sehr gereizt. Aber W. Putin versteht nicht, dass er mit seiner Aggression und Gewalt gegen die Ukraine sie nur von sich selbst abstößt. Und hier helfen keine Artikel.

Davon zeugen äußert negative Reaktionen auf den „Kreml-Artikel“ in den sozialen Netzwerken. „Welches einiges Volk? Welche Brüder? Wenn man bedenkt, wie gezielt und kaltblutig sie uns mehrere Jahrhunderte lang vernichtet haben, sind wir nicht einmal Verwandte. Normale Menschen töten keine Verwandten“, – schrieb einer der gewöhnlichen Ukrainer bei Twitter.

Zeitung „Stimme der Ukraine“