Das Nord Stream-2-Projekt birgt in sich eine Fülle politischer und wirtschaftlicher Risiken und Gefahren nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Länder Europas.  Die europäische Wirtschaft kann mehr von Russland abhängen – warnt die ukrainische Seite den Westen und schlägt stattdessen vor, ausländische Unternehmen in die Leitung des ukrainischen Gas-und Transportsystems einzubeziehen.

Preis für die Unabhängigkeit

Das Projekt der Gasleitung Nord Stream – 2 setzt sich zum Ziel, die Ukraine nicht nur unter Wirtschaftsdruck zu setzen und ihr den Status eines Transit-Staates zu entziehen(wovon  Russland seit langem träumt), sondern einen politischen Druck auf Europa zu verstärken, – so meint Präsident der Ukraine Petro Poroschenko. „Diese Pipeline hat keinen wirtschaftlichen Sinn. Das ist ein Versuch Russlands, die Ukraine zu schwächen, die jährlich ca. 3 Milliarden US-Dollar als Transitgebühren bekommt. Aber vor allem will Putin einen geopolitischen Druck auf Westeuropa sichern“.

Westeuropa, wonach russisches Gas durch das Territorium der Ukraine befördert wird, hat zu berücksichtigen, dass die Ukraine mehr als genügend Transportkapazitäten für Transit des russischen Gases hat. Die Kapazität des ukrainischen Gas-und Transportsystems beträgt 146 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr. Zurzeit werden 90 Milliarden verbraucht. Die ukrainischen Gasdeponien ermöglichen es, die Vorräte bis 1000 Tagen zu bewahren. Das System ist ganz zuverlässig. Warum hat man also 20 Milliarden US-Dollar für eine Umweg-Pipeline auszugeben? Um einen Zweifel des Westens an der Zuverlässigkeit  der Ukraine als Transitland  zu zerstreuen, hat Poroschenko deutsche Energiegesellschaften eingeladen, in die ukrainische Gasindustrie zu investieren, an ihrer Leitung teilzunehmen.

Außerdem birgt Nord Stream auch eine Sicherheitsgefahr für die ganze Region in sich. Im Falle des Baus von Nord Stream – 2 hat Russland die Ostsee zu verteidigen. „Sehr große Gefahr für die europäische Energiesicherheit und für Europa. Sehen sie, was Russland in Bezug auf die nicht legitim gebaute Krim-Brücke macht. Und jetzt stellen sie sich vor: Über die Ostsee pumpt es mehr als 1000 Milliarden Gas. Wie verteidigt es diesen Transit, zu welchen Provokationen greift es?“, – warnte der Minister für auswärtige Angelegenheiten der Ukraine Pawlo Klimkin während der Münchener Sicherheitskonferenz. Seiner Meinung nach, werde Russland danach, was an der Meerenge von Kertsch geschah, die Ostsee mit allen Mitteln ohne jegliche „Rote Linien“ verteidigen.

Präsident Poroschenko rief die europäischen Länder auf, sich im Nato – Rahmen, in den bilateralen Beziehungen zu vereinigen, und „mit jeglichen  politisch motivierten und provokativen russischen Projekten aufzuhören, um vom russischen Gashacken abzuspringen“. Wir Ukrainer haben das schon gemacht. Jetzt kaufen wir Gas in Europa, und obwohl das teurer ist, als man früher bei Russland kaufte, – ist das der Preis für die Unabhängigkeit, einschließlich im Energiebereich.

Getarnter Krieg

Das russische Projekt der Gaspipeline Nord Stream-2 – ist eine Form eines versteckten getarnten Kriegs und der Hybridwaffen gegen Europa und europäische Verbraucher, – meint auch der ukrainische Regierungschef. „Wir wissen, wie es ist, von Russland in einer energie-politischen Hinsicht abhängig zu sein. Aus eigenen Erfahrungen ist es uns bekannt, wie gefährlich es ist. Deshalb betrachten wir dieses Projekt als geopolitische Waffe Russlands“, – betonte der Premier-Minister der Ukraine Wolodymyr Groisman. Sobald Russland auf dem Gasmarkt dominieren wird, stellt es die Gasversorgung ein, – sieht er vor und warnt: „Nennen Sie mir eine Garantie, die Russland in letzter Zeit gegeben und sie eingehalten hat?“

Anstatt dessen hat die Ukraine ihren westlichen Partnern vorgeschlagen, gemeinsam ihr Gas-und Transportsystem zu leiten, das noch zu Zeiten der UdSSR speziell für den Transit des russischen Gases nach Europa gebaut wurde. Ausländische Unternehmen können vorteilhaft in die Ukraine investieren und Energieressourcen aus noch einer Quelle erhalten.

Energiepeitsche

Das ukrainische Parlament hat Europa auch gewarnt, am Nord Stream-2-Projekt teilzunehmen. „Denn wir wissen wie kein anderer, wie Russland eine Energiepeitsche für Korruption und Einfluss auf den politischen Gipfel  missbrauchen kann“, – sagte der Parlamentspräsident der Ukraine Andrij Parubij bei der Konferenz „Lehren  der Dutzend Hybridjahre“. Ihm zufolge ist der Bestandteil der Energiesicherheit ein sehr wichtiges Element der Sicherheit nicht nur der Ukraine, sondern der ganzen Welt. Parubij tritt mit einer Initiative auf, dass das ukrainische Gas-und Transportsystem, das heute ein Haupttransitelement ist, eine Plattform für gemeinsame Verwendung mit ausländischen Partnern haben müsste, die Mitbeteiligte an der Leitung des ukrainischen Gas-und Transportsystems werden könnten.

Im April 2018 verabschiedete das ukrainische Parlament einen Appell an die internationale Gemeinschaft über Nichtzulässigkeit des Baus der Gaspipeline Nord Stream-2 und Monopolstellung der Russischen Föderation auf den Weltgasmärkten. Am 12. Februar 2019 wandten sich über 20 ukrainische Parlamentarier an Europaparlament, Europäische Kommission und Europarat mit einem offenen Brief über Gewährleistung der Energieunabhängigkeit Europas und Widerstand gegen die Realisierung von Nord Stream-2. In ihrem Appell erinnerten die ukrainischen Parlamentarier, dass im Abkommen über Assoziierung der Ukraine mit der EU(vom 12. Dezember 2018)entscheidende Rolle der Ukraine im europäischen Energieversorgungsnetz betont wird und den Bau von Nord Stream-2 verurteilt wird. Und im Artikel 274 des Assoziierungsabkommens geht es um die Notwendigkeit, Interessen der Ukraine im Teil Gastransit in die EU zu berücksichtigen.

Wie Nachteile zu vermeiden sind

Nachteile der Ukraine von Bau und Inbetriebnahme von Nord Stream-2 können 3 Milliarden US-Dollar im Jahr erreichen. „Wir werden den ganzen Transit verlieren. Weil es noch die Schwarzmeerquerung Turk Stream gibt, die bis Ende 2019 gebaut und betriebsfähig werden soll. Theoretisch kann sie mehr als 30 Milliarden Kubikmeter Gas abnehmen. 55 Kubikmeter vom Territorium der Ukraine kann Nord Stream-2 abnehmen . Würde  man sie addieren, ist es nahezu  das jetzige Transitvolumen durch das Territorium der Ukraine“, – erklärte der Vorstandsvorsitzende von „Naftogas Ukraine“ Andrij Koboljew bei der 15. Jährlichen Europäischen Strategie von Jalta. Gleichzeitig erklärte man bei „Naftogas“: Würde man das Nord Stream-2-Projekt über die Ostsee realisieren, so würde die Ukraine im Internationalen Schiedsgericht erzwingen, 12 Milliarden US-Dollar zu entschädigen. Eine entsprechende Klage hat die Ukraine dem Internationalen Schiedsgericht schon eingereicht.

Auskunft

– Nord Stream-2 ist ein Projekt der russischen Gaspipeline, die das russische Unternehmen NordStream 2 AG von der Russischen Föderation nach Deutschland(Greifswald) beim Umgang der Ukraine durch die Ostsee baut. 51% Aktien gehören „Gasprom“. Partner sind Unternehmen Royal Dutch Shell, Wintershall, Unipe, OMV und Engie. Die Länge der Pipeline beträgt 1220 km, die Gesamtkapazität macht 55 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr aus.

– Die Kapazität des ukrainischen Gas-und Transportsystems beträgt 146 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr. Jetzt werden 90 Milliarden benutzt. Ukrainische Gasdeponien ermöglichen es, die Vorräte bis 1000 Tagen zu lagern.