Anlass für die Sitzung wurde ein Beschluss des Verfassungsgerichts der Ukraine (VGU), der am Vorabend gefasst worden war. Am 27. Oktober fasste das erwähnte Gericht nach einer Vorlage von 47 Parlamentsabgeordneten(vorwiegend Vertretern der prorussischen Partei „Oppositionsplattform – Für Leben“ und der vom bekannten Oligarchen, Ihor Kolomojskij, kontrollierten Partei „Für Zukunft“ – Red.) einen Beschluss, durch welchen es den Artikel 366-1 des Strafgesetzbuches aufhob. Der Artikel sieht vor, dass die Staatsbeamten eine unwahrheitsgetreue elektronische Deklaration zu den Angaben über ihre Einkommen und Vermögen zu verantworten haben.

Das Verfassungsgericht erkannte auch die Bestimmungen der Gesetze über Prüfung entsprechender elektronischer Deklarationen der Beamten als verfassungswidrig an und hob die Vollmachten der Nationalagentur für Vorbeugung der Korruption (NAVK) bezüglich der Prüfung von Deklarationen und Aufdeckung der Interessenkonflikte auf. De facto hob das Gericht die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen gesetzwidriger Bereicherung und unwahrheitsgetreuer Deklaration auf. Es erklärte auch die Vollmachten der Nationalagentur für Vorbeugung der Korruption für ungültig.

Denn das Verfassungsgericht entzog durch seine Entscheidung der Nationalagentur für Vorbeugung der Korruption den Zutritt zu den Staatsregistern, die für die Durchführung spezieller Prüfung der Deklarationen von Kandidaten zu Führungspositionen in den Machtbehörden notwendig sind. Ohne diese Prüfung kann kein einziger Leiter einer Staatsbehörde offiziell ernannt werden, einschließlich derjenigen, die bei den Lokalwahlen gewählt wurden, die am 25. Oktober stattfanden. Auf solche Weise drohte der Ukraine die „Lähmung“ der ganzen Exekutivmacht.

Wie der Richter-Referent des Verfassungsgerichts, Ihor Slidenko, mitteilte, war die elektronische Deklaration aufgehoben worden, um die Richter angeblich vor einem Druck der Exekutivmachtbehörden zu schützen. Jedoch, ihm zufolge, konnte das Verfassungsgericht in seinem Beschluss das Recht nicht hervorheben, nur die Deklarationen der Richter nicht zu prüfen, deswegen hob es diese Norm für alle Beamtenkategorien auf.

Das, was passierte, meint der bekannte ukrainische Politologe, Wolodymyr Fessenko, – „Das ist die Konterrevolution gegen das ganze Antikorruptionssystem und gleichzeitig gegen die europäische Integration der Ukraine“. Der Meinung von Ex-Präsident, Petro Poroschenko, nach, versetze die Zerstörung der Antikorruptionsbehörden und Antikorruptionsgesetze schmerzhafte Schläge den Beziehungen der Ukraine zum Westen, zur Europäischen Union, zu den Vereinigten Staaten, provoziere eine tiefe Krise in den Beziehungen zu den internationalen Partnern, widerspreche dem Assoziierungsabkommen mit der EU. Solche Handlungen laufen der Verfassung der Ukraine, darunter der Realisierung der Leitsetze bezüglich des strategischen Kurses der Ukraine auf die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union und der NATO zuwider.

Ihre ersthafte Beunruhigung im Zusammenhang mit dem Beschluss des Verfassungsgerichts gaben sofort die Botschafter der G-7-Länder und die EU-Vertretung in der Ukraine zum Ausdruck. Und die Vereinigten Staaten, wird in einer Erklärung der amerikanischen Botschaft in Kiew betont, äußerten ihre Unterstützung für das ukrainische Volk und Präsident, Volodymyr Zelenskyy, im Kampf gegen die Versuche bestimmter Personen, „den Verlauf der Reformen, die in der Ukraine nach der Revolution der Würde eingeführt werden, in die entgegengesetzte Richtung umzukehren“.

Unter solchen Bedingungen wurde also die Sitzung des Rats für nationale Sicherheit und Verteidigung abgehalten. „Vernichtende Schläge, die den Errungenschaften des Landes im Bereich des Kampfes und effektiven Widerstandes gegen die Korruption versetzt werden, können ohne Beachtung nicht bleiben. Es ist eine unverzügliche und harte Bewertung der Beschlüsse einzelner Subjekte nötig, deren Handlungen immer mehr gesellschaftsgefährlich werden“, – erklärte V. Zelenskyy vor ihrem Beginn.

Im Ergebnis der Sitzung wurde ein Beschluss gefasst, laut welchem die Regierung am selben Tag ein zeitweiliges Verfahren für den Zutritt der NAVK zu den Staatsregistern einführte, die für die Durchführung spezieller Prüfung von Deklarationen der Kandidaten zu Führungspositionen in den Machtbehörden notwendig sind. Volodymyr Zelenskyy schlug auch vor, unverzüglich einen Gesetzentwurf über Wiederherstellung der Anständigkeit der Rechtsprechung im Verfassungsgericht der Ukraine auszuarbeiten und ihn zur Erörterung der Werchowna Rada(des Parlaments) als unaufschiebbar einzureichen. Auch wurde beschlossen, die Tätigkeit der Kommission für Rechtsreform bei Präsident der Ukraine zu aktivieren und die Einreichung von Vorschlägen bezüglich der Gerichtsreform zu beschleunigen.

Am 30. Oktober früh wurde bekannt, dass V. Zelenskyy einen Gesetzentwurf in die Werchowna Rada einreichte, wo er vorschlägt, die Vollmachten der ganzen Zusammensetzung des Verfassungsgerichts einzustellen. Das Dokument wurde als unaufschiebbar eingestuft.

Im Wortlaut des Gesetzentwurfes heißt es, dass der Beschluss des Verfassungsgerichts vom 27. Oktober „nichtig ist (schafft keine Rechtsfolgen) als ein solcher, der von den Richtern des Verfassungsgerichts unter den Bedingungen realen Interessenkonfliktes gefasst wurde“.

V. Zelenskyy schlägt vor, die Vollmachten der VGU-Richter ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes einzustellen, und den Subjekten der Bestimmung der Richter schlägt er vor, unverzüglich das Verfahren für die Wettbewerbsauswahl einer neuen Zusammensetzung des Gerichts zu beginnen.

Nach der Ansicht vieler Beobachter wird der jetzige Herbst in der Ukraine im Zusammenhang mit dem präsidialen Gesetzentwurf „heiß“ sein. Denn die Verfassung sieht nicht vor, auf solche Weise die Vollmachten der VGU-Richter einzustellen. Darin wird ein klares Verzeichnis der Gründe für die Entlassung eines Richters bestimmt. Die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts kann man nur unter Zustimmung der Richter selbst ändern. Dafür braucht man mindesten zwei Drittel der Verfassungszusammensetzung des Gerichts.

Gleichzeitig stellt die Verfassung klar die Gründe für die Entlassung eines Richters fest. Unter anderem kann das die Unfähigkeit sein, seine Pflichten aus Gesundheitsgründen zu erfüllen, Verübung eines beträchtlichen Disziplinarvergehens bzw. Vernachlässigung seiner Pflichten.

Zeitung „Stimme der Ukraine“