So kommentierte der Außenminister der Ukraine, Dmytro Kuleba, eine Ende der vorigen Woche getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte(EGMR) über die Zulässigkeit im Fall „Ukraine gegen Russland“ bezüglich der Krim.

Der Gerichtshof hat die Klage der Ukraine als „teilweise zulässig“ anerkannt. Übrigens wurde die überwiegende Mehrheit der Artikel, gemäß welchen die Ukraine die Russische Föderation der Ausübung systematischer Verletzungen der Menschenrechte auf der Krim beschuldigt, als zulässig für die eigentliche Verhandlung erklärt.

Darunter wird man die Anschuldigungen fahrlässiger Untersuchung von Morden durch Russland; Praktiken illegaler Inhaftierung und Misshandlung von Menschen; Unterdrückung nicht russischsprachiger Medien; Einschränkung der Ausbildung in anderen Sprachen außer Russisch; Einschüchterung und Verfolgung religiöser Vertreter; automatische Übertragung der russischen Staatsbürgerschaft; Einschränkung der Bewegungsfreiheit zwischen der Krim und dem ukrainischen Festland u.a.m. behandeln.

Der Gerichtshof hat nur die Anschuldigungen der Ukraine abgelehnt, dass Russland nach der Besetzung der Krim dort „die Verwaltungspraxis in Bezug auf Morde/Erschießungen“ eingeführt hatte. Er hat sich auch nicht für zuständig gehalten, Urteile darüber zu fällen, ob die Aufnahme der Krim ins Staatsgebiet Russlands laut russischen Gesetzen vom Standpunkt des Völkerrechts aus legitim war.

Gleichzeitig hat die internationale Gerichtsbehörde anerkannt, dass Russland die Militärkontrolle über die Krim noch vor März 2014 ausgeübt hatte, als dort ein „Referendum“ über den Anschluss der Halbinsel an Russland durchgeführt wurde. Beim EGMR hat man hervorgehoben, dass der Kreml im Voraus die Zahl seines Militärs vergrößert hatte, die später ukrainische Militäreinheiten auf der Krim blockierten. So hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass obwohl die Russische Föderation auch versicherte, dass sie die Kontrolle über die Halbinsel seit dem 18. März übernommen hatte, als die Krim entsprechend den Ergebnissen des vom Kreml organisierten „Referendums“ russisch geworden war, zeugen jedoch die Beweise davon, dass die Russische Föderation das ukrainische Gebiet mindestens seit dem 27. Februar 2014 kontrolliert hatte.

Es wird hervorgehoben, dass sich die Kopfstärke des russischen Militärs etwa verdoppelte. Waren im Januar 2014 auf der Halbinsel rund 10 Tausend Armeeangehörige der Russischen Föderation, so gab es im März schon rund 20 Tausend russisches Militär. Diese Verstärkung der Militärpräsenz Russlands auf der Krim nannte man beim EGMR bedeutend.

Dabei verlief die Militärverstärkung „ohne Einwilligung bzw. Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden“, heißt es in der Entscheidung des Gerichtshofs.

Der EGMR ließ auch zwei Aussagen von Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, nicht außer Acht. Die erste stammt von der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 2014. Damals teilte Putin mit, man habe beschlossen, „mit der Arbeit zur Rückführung der Krim in die Russische Föderation zu beginnen“. Die zweite – in einem Interview vom 17. April 2014. Der Chef des Kremls erklärte eindeutig, dass die Russische Föderation „Militäreinheiten der ukrainischen Armee und Rechtsschutzorgane entwaffnet“ habe und dass „russische Truppen die Selbstverteidigungskräfte der Krim unterstützt“ hätten.

Jetzt muss der EGMR aufgrund der getroffenen Entscheidung alle Punkte der Anschuldigungen der Ukraine bezüglich der Russischen Föderation im Eigentlichen behandeln. Wie Juristen betonen, ist es ein Schritt weiter, nicht aber ein Ende der Geschichte. Indem der Gerichtshof die Zulässigkeit der Klage festgestellt hatte, hob er hervor, dass seine Schlussfolgerung auf dieser Stufe die Feststellung der Verantwortung Russlands für konkrete Verstöße gegen die Menschenrechte auf der Krim nicht betrifft. Diese Fragen werden später, auf der Stufe der eigentlichen Verhandlung gelöst. Das Datum für eine endgültige Entscheidung in diesem Fall steht noch nicht fest, denn eine Verhandlung in Bezug auf zwischenstaatliche Klagen kann Jahre dauern.

Nichtsdestoweniger ist die EGMR-Entscheidung ein starker juristischer Schlag gegen die Mythologie, die die Russische Föderation in einem Hybridkrieg verwendet. „Die Krim ist die Geschichte der bewaffneten Aggression und groben Verletzungen der Menschenrechte, nicht aber eines „Referendums“ und „friedlichen Volksentscheids“, – betonte der Justizminister der Ukraine, Denys Maljuska. Jetzt kann man davon sprechen, dass Russland selbst das „Referendum“ auf der Halbinsel initiierte und dass es unter vorgehaltenen russischen Maschinenpistolen durchgeführt wurde.

Der Vorsitzende des Ausschusses der Werchowna Rada (Parlament) für Außenpolitik und interparlamentarische Zusammenarbeit, Oleksandr Mereshko, ist der Meinung, dass dieser Moment der wichtigste ist, denn er erkennt jene Tatsache an, dass Russland die Halbinsel vor dem „Referendum“ okkupierte.

Die juristische Bestätigung dieser Tatsache durch den EGMR ist äußerst wichtig vom Gesichtspunkt der Völkerrechtsposition der Ukraine und des Schutzes ihrer außenpolitischen Interessen aus, – betonte O. Mereshko.

Er ist der Ansicht, dass sich die Ukraine auf diese Entscheidung berufen und dieses Argument auch bei anderen internationalen Gerichtsinstanzen benutzen könne.

Auskunft

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist eine internationale Gerichtsbehörde, deren Jurisdiktion sich auf alle Staaten – Mitglieder des Europarats verbreitet, die die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert haben.

Zeitung „Stimme der Ukraine“