Die Ukrainer verteidigen nicht nur ihr eigenes Land, Freiheit und Unabhängigkeit. Sie schützen Europa vor der russischen Horde. Denn wir haben ein solches Sprichwort: „Mein Haus ist am Rande, so begegne ich den Feind als erster“.  So findet nun auf dem ukrainischen Territorium eine Gegenüberstellung zweier Systeme – der Demokratie und der Diktatur, der Zukunft und der Vergangenheit, der Zivilisation und der Barbarei statt. Hier und jetzt wird das weitere Schicksal der ganzen Welt und das Koordinatensystem von deren Existenz entschieden.

Als erste haben uns mit Schutzmitteln, Waffe, militärischen Technik die Bruderstaaten geholfen, die sozusagen in der „zweiten Staffel“ der Frontlinie sind – Polen und Ostseestaaten. Denn sie verstehen es von Anfang an ganz gut: Falls die Ukrainer die russische Horde nicht aufhalten, geht diese weiter… 

Der Vorsitzende der Werchowna Rada Ruslan Stefantschuk betonte kürzlich während seines Vortrages im Europäischen Parlament eine für die Ukrainer offensichtliche Tatsache: Falls die EU die Ukraine nicht unterstützt, wird Putin eine „Erlaubnis“ erhalten, weiter vorzurücken – nach Europa. Übrigens „antwortete“ man in der Staatsduma an demselben Tag mit einem Gesetzentwurf über Aufhebung der Akten über Unabhängigkeit der Ostseestaaten, vor allem Litauens.

Die erste Spielperiode des Krieges hat die Ukraine dank den ukrainischen Streitkräften, dem ukrainischen Volk, Einigkeit der Politiker und Diplomatie, Unterstützung im Wort und Tat seitens der USA, Großbritanniens, EU-Länder gewonnen. Sie bezahlt dafür einen äußerst hohen Preis – mit dem Leben der ukrainischen Verteidiger, der infolge von russischen Raketenangriffen getöteten Kinder und Frauen, der gefolterten zivilen Einwohner von Butscha, Irpen, Borodjanka, Hostomel…

Erst vor kurzem hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Verluste der ukrainischen Armee genannt: „Die Situation ist sehr schwer, wir verlieren 60 bis 100 Soldaten getötet und fast 500 Menschen verletzt in den Kriegshandlungen jeden Tag. Deshalb halten wir unsere Verteidigungslinien weiter“, – sagte er und fügte hinzu, die schwerste Situation sei zurzeit im Osten der Ukraine.

Zwar dauert im ukrainischen Osten die zweite Phase der „Sonderoperation“ des Kremls in der Ukraine – der Kampf um den Donbas. Genauso wie die erste misslungene Phase (Offensive auf Kyjiw), passt sie in den durch Moskau geplanten Zeitrahmen kaum hinein.

Die tapfere Verteidigung von Mariupol, die Heldentat der Verteidiger des Werkes „Asowstahl“, die Belagerungen ukrainischer Städtchen und Dörfer durch die Besatzer, die Vergewaltigungen von Kindern durch die Raschisten, Foltern, Plünderei – das alles ist in die grausame Geschichte des brutalen Überfalls der russischen Barbaren auf unser Land eingetragen. Das Land, welches wie eine echte Festung auf ihrem Weg nach Europa steht. 

Nun übergeht der Krieg in eine Stellungsphase. Die Raschisten haben keine Kräfte für die Offensive. Und wir haben keine Waffe. Denn das Verfahren des amerikanischen Lend-Lease hat sich etwas hingezogen. Und die angekündigte Hilfe von manchen europäischen Ländern wurde, wie sich gezeigt hat, bereits auf der Etappe der politischen (Nicht-) Fassung der jeweiligen Beschlüsse verzögert.

Mittlerweile ist eine dringende Lieferung schwerer Waffe absolut notwendig, um den russischen Aggressor an den europäischen Grenzen zu stoppen, unseren Sieg zu sichern und das Leben der Ukrainer zu bewahren. Zurzeit rückt diese Frage sehr langsam vor. Und zwar wegen des Verfahrens der einvernehmlichen Beschlussfassung in den internationalen Organisationen, unterschiedlicher Ansichten betreffs deren Lösung sowie entsprechender Gegenwirkung  der gewissen Gruppe der europäischen Konformisten, die jetzt versuchen, Putin „das Gesicht zu wahren“ und die Idee der „friedlichen Verhandlungen“ auf Bedingungen des blutigen Diktators zu fördern. Die Hoffnung ist wieder auf die USA und Großbritannien. Obwohl versteht man in der EU die Rolle der Ukraine für die europäische Sicherheit ganz gut.

„Die Ukraine ist schon heute ein Ehrenmitglied unserer Union, denn sie vergießt Blut sowohl für das eigene Territorium, als auch für unsere Freiheiten. Ihre Stelle ist unter uns. Und wenn sie Kandidaten sind, bedeutet dies, dass sie unter uns sind“, – sagte die Leiterin des Unterausschusses des Europäischen Parlaments für Sicherheit und Verteidigung Nathalie Loiseau, indem sie das durch die Abgeordneten präsentierte Projekt der Empfehlungen des EP bezüglich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik für Teilnehmer des EU-Gipfels kommentierte. Am 23.-24 Juni wird in dessen Rahmen die Frage der Verleihung des EU-Kandidatenstatus an die Ukraine behandelt.

Die Politikerin erklärte, dass die EU-Sicherheitspolitik gescheitert habe, was die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine bestätigt. Sie betonte: wenn die Ukraine um Beitritt zur EU bittet, sollte dies die EU selbst mit Dankbarkeit wahrnehmen, weil die Ukrainer nicht nur für ihr Land, sondern auch für die Freiheit Europas kämpfen. Und Lieferung der Waffe für die Ukraine sei eine Pflicht der Europäischen Union. Deshalb muss die Waffe in den Umfängen geliefert werden, wie es Kyjiw festlegt.

Seinerseits konkretisierte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow die Erwartungen betreffs des Erhalts der Waffe von den Partnerstaaten:

– MLRS des NATO-Typs und Munition dazu;

– vollständiger Ersatz einiger bestehender Kaliber des sowjetischen Typs durch NATO-Standardplattformen;

– Hunderte von Einheiten schwerer gepanzerter Kampffahrzeuge hinzuziehen, ohne welche eine effektive Gegenoffensive unmöglich ist;

– Kampfflugzeuge sowie Luftabwehr- / Raketenabwehrsysteme.

Wenn man die Bedarfe nach dem Wichtigkeitsgrad nummeriert, so ist die Nr. 1 – Verstärkung der Artillerie. Und zwar durch Erhöhung der Zahl der Anlagen des Typs HIMARS und M270. Und überhaupt ist der Übergang auf NATO-Artilleriesysteme äußerst aktuell. Denn wie es beim ukrainischen Verteidigungsministerium gestanden wurde, sind die Kanonen des sowjetischen Typs abgenutzt, wird Munition dazu nicht hergestellt und sind die Vorräte bereits leer. Und genau dank der Übergabe der AGS-Systeme 155 mm durch die internationalen Partner ist es den ukrainischen Streitkräften gelungen, den „Munitionshunger“ für einige Zeit zu stillen.

Bedarf Nr. 2 sind die schweren gepanzerten Kampffahrzeuge nach den NATO-Standards.  Denn die sowjetische Technik ist überwiegend veraltet und es gibt auch einen Mangel an Munition dazu. Jedoch bleibt der Erhalt von Panzern M1 Abrams oder Leopard 2 durch die Ukraine wegen des politischen „Pazifismus“ Deutschlands äußerst fraglich…  

Und die Hauptsache in dieser Liste ist es, Kampffahrzeuge zu erhalten. Denn gerade diese Waffe ist am meisten universell – sie löst die Aufgaben der Luftabwehr, Eroberung der Dominanz im Himmel und danach sind Angriffe auf den Feind möglich. Parallel dazu werden Luftabwehr- und Raketenabwehrsysteme aufgeschlagen. Dabei soll die Lieferung in Form ganzheitlicher Einheiten erfolgen, die sofort bereit sind, Kampfeinsätze durchzuführen – es heißt „organic unit“.

Es handelt sich um schwere Waffe und Kampftechnik, ohne deren genügende Menge es unmöglich ist, großangelegte Offensivoperationen durchzuführen. Darüber sagt man ständig sowohl in der Ukraine, als auch in NATO und EU.

Um die Hauptgefahr der zivilisierten Welt zu zügeln – das Land, dessen Armee und Rücken zehnmal größer ist als die der Ukraine, brauchen wir nicht nur intensive militärische und finanzielle Hilfe der Anti-Putin-Koalition, sondern auch moralische Unterstützung der mächtigen geopolitischen Akteure. Vor allem der EU-Länder – sie deklarieren ja die demokratischen Werte und Freiheiten, für welche die Ukrainer jetzt Blut vergießen und sterben.  Genau mit einer solchen Hilfe rechnet Kyjiw seitens Brüssels, wo bei der Sitzung des Europäischen Rats das Gutachten der Eurokommission bezüglich des EU-Antrags der Ukraine behandelt und der Beschluss über Verleihung des EU-Kandidatenstatus an die Ukraine behandelt wird.

„Europa soll „Ja“ sagen. Europa soll dem ukrainischen Volk einen mächtigen Impuls senden. Einen mächtigen Impuls den ukrainischen Soldaten an vorderster Front, dass alles, wofür die ukrainischen Leute heute leiden, nicht umsonst ist“, – so äußerte der Vorsitzende der Werchowna Rada Ruslan Stefantschuk die Erwartungen der Ukraine am Vorabend des historischen Ereignisses.