Ich weiß, du schaust heute auf uns: mit erschrockenen polnischen Augen, mit unentschlossenen Gesten Frankreichs, mit gut kalkulierten Schritten Deutschlands, mit hektischen Rufen Lettlands, mit skeptischem Zucken Ungarns, mit entspannter Rhetorik Italiens, mit totaler Stille Israels, mit weit entfernten Rufen der USA und Kanadas, mit Augen von hunderten anderen Ländern. Dir ist es unangenehm, du sinkst oft deinen Blick zur Erde. Vor allem dann, wenn wir unsere Kinder mit den eigenen Körpern vor unendlichen Raketenangriffen schützen.

Und wenn du deine Augen wieder hebst, dann scheinst du verwundert zu sein: “Die Ukraine, was ist das eigentlich?“ Sie ist mit Kampffahrzeugen beschossen, und sie steht immer noch. Sie wird mit ballistischen Raketen angegriffen, und sie steht immer noch. Sie wird von allen Seiten mit verdammten Panzern vorgestürmt, und sie steht immer noch. Ihr sagt man direkt: “We are very sorry and deeply concerned, but..”, und sie antwortet dann: “bah, wie du willst; ich gehe dann einen Kampfflugzeug abzuschießen”. Sie wird mit dem “Roten Knopf” gedroht, und sie lacht und füllt schweigend Flaschen mit Molotowcocktails.

Die Welt hält den Atem, die Jod-Tabletten sind überall panisch ausverkauft, und die Ukraine steht immer noch. Aus welcher Stahl wurde diese Ukraine erzeugt? Gibt es was Besonderes in der ukrainischen Muttermilch? Oder im Essen, die von tausenden der freiwilligen Helfer für ukrainischen Soldaten zubereitet wird? Weißt du, Welt, das weißt du eben nicht. Wir selber wussten es bis jetzt nicht. Wir wussten nicht, dass wir so eine Kraft, so eine Stärke und so eine Liebe besitzen. Dies alles hatten wir immer, dies war aber tief begraben unter den Trümmern von der UdSSR, der “russischen Welt”, unter den Federn von allen Friedenstauben und Blättern von allen Liebesbäumen. Diese Kräfte schliefen nur und warteten bis sie explodierten. Aber sie explodierten nicht mit Angst. Du, Welt, bist heute von der Angst beherrscht. Und wir fühlen was Anderes.

Wir fühlen Wut. Wegen jedes getöteten Kindes. Wegen jedes zerbrochenen Schicksals. Wegen jeder verbrannten Stadt. Wegen jedes zerstörten Traums. Und dieser Wut gibt uns die Kraft. Wir fühlen Freiheit, zum ersten Mal fühlen wir die echte Freiheit so extrem stark. Diese Freiheit ist nackt, verletzbar, aber gleichzeitig so mächtig. Und diese Freiheit gibt uns die Kraft. Wir fühlen Liebe, es gibt keine Unsere und Fremde mehr, wir sind jetzt alle verwandt, und die Millionen von Händen bauen zusammen den Weg zum unseren Sieg – jeder an seinem Platz. Und diese Liebe gibt uns die Kraft.

Du, die Welt, muss keine Angst haben! Wir stehen Wache. Und falls du dich nicht traust zu fragen, dann hier ist die Antwort: “Der Frühling kommt, und der Frühling wird Gelb-Blau gefärbt. Der Frühling kommt, auch trotzt all deiner Ängste!!! 

Olena Pshenychna, aus Kyjiw, Filmhersteller, Drehbuchverfasserin, Journalistin